Das Rittergut Lucklum geht auf den Deutschen Ritterorden zurück, eine römisch-katholische Ordensgemeinschaft, die Ihre Ursprünge in der Zeit der Kreuzzüge in den Jahren 1190/98 hat. Mit der Verlegung seines Schwerpunktes nach Osten, am Anfang 13. Jahrhunderts, wurden im gesamten damaligen Reich Ordensniederlassungen, sogenannte Kommenden, gegründet.
Aufgrund der bedeutenden geostrategischen Lage an der Handelsstraße zwischen Magdeburg und Hildesheim war die Siedlung Lucklum (urkundliche Ersterwähnung im Jahr 1051, als „Lucgenheim“) im Mittelalter ein wichtiges kirchliches und wirtschaftliches Zentrum und kam daher im Jahr 1267 auch in den Fokus des Ordens, der hier schließlich eine solche Kommende gründete. Diese wurde dann allerdings erst im Jahr 1275 zur Komturei (Verwaltungsbezirk mit Ordenshaus) aber bereits wenig später zu einem geschlossenen Hofkomplex, ähnlich den großen Ordensburgen, ausgebaut.
Durch die Schwächung des Deutschen Ordens, die Reformation und den Dreißigjährigen Krieg verliert Lucklum nach dem späten Mittelalter zunehmend an Einfluss. 1809 wird der Deutsche Orden durch Napoleon komplett aufgelöst und die Eigentümer säkularisiert, also von der Kirche losgelöst und „verweltlicht“. Im Ergebnis dieser Maßnahme geht Lucklum schließlich in den Besitz von Jérôme Bonaparte, Napoleons jüngsten Bruder und König von Westphalen, über. Seitdem wurde das Rittergut Lucklum mehrfach aus- und umgebaut und immer wieder für verschiedene Zwecke genutzt. Heute dient die Anlage unter anderem als Wohn- und Arbeitsgebäude, Reitschule, Restaurant, Café sowie als Event-Location.
Das Kirchengebäude ist der älteste Bauteil der Kommende Lucklum. Es handelt sich um einen romanischen Saalbau, der größtenteils aus Erkeroder Trochitenkalk erbaut wurde. Der westliche Gebäudeteil stammt sogar noch aus der Zeit, bevor der Ritterorden nach Lucklum kam.
Der Kirchturm wurde im Mittelalter vermutlich als Wehrturm genutzt und nach dem 30-jährigen Krieg, zusammen mit weiteren Gebäudeteilen, baulich erneuert. So erhielt dieser zum Beispiel 1714 ein barockes Pultdach mit einer Zwiebelhaube.
Im Innenbereich der Kirche fällt der Blick sofort auf die über 150 Bemalungen an der Decke sowie Empore. Diese herausragende Bild- und Inschriften-Ausstattung wurde im frühen 18. Jahrhundert nach Vorlagen aus Emblembüchern gemalt und ist bis heute fast vollständig erhalten geblieben. Der Lucklumer Kirchenraum präsentiert hierdurch die frühneuzeitlich-europäische Kunstform und vereinigt lutherische, römisch-katholische und reformierte Eindrücke.
Neben den Sinnbildern fällt das überlebensgroßes Standbild des früheren Landkomturs Jan Daniel von Priort (1618–1683) ins Auge. Er hält eine Nachbildung der Ordensfahne von 1684, die das schwarze Ordenskreuz auf weißem Grund trägt. Rings um die Figur sind die Wappen der 43 Ordensritter angebracht, die seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Auflösung des Ordens im Jahr 1809 in die Ballei, den Verwaltungsbezirk eines Ritterordens, Sachsen aufgenommen wurden.
An die Macht des Deutschordens erinnert auch die Empore selbst. Diese war nämlich den Ordensrittern vorbehalten. Der Landkomtur, also der Leiter der Ballei, nahm hingegen in der Loge Platz.
Unter der Aufgabenstellung “3D-Dokumentation des Innenraums der Kirche im Rittergut Lucklum“ durften die Vermessungsingenieure der ArcTron 3D GmbH das Objekt in mehrtägiger Arbeit vollständig dokumentieren. Um das Projektziel, die digitale Konservierung, bestmöglich zu erreichen, wurden umfangreiche Datensätze erhoben, prozessiert und mit unserem firmeneigenen Datenfusionsworkflow zu detaillierten 3D-Modellen mit hochaufgelösten Fototexturen berechnet.
Auftraggeber für das Projekt ist der Fachbereich Human-Computer-Interaction (Department of Informatics) der Universität Hamburg, unter der Leitung von Prof. Frank Steinicke und Jenny Gabel.
Die Ergebnisse aus der 3D-Dokumentation werden vom Auftraggeber im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes weiterverwendet. Unter dem Kurztitel “Understanding Written Artefacts” arbeiten Forschende aus über 40 Fachrichtungen an einer globalen Grundlage für die Erfoschung aller jemals geschriebener Objekte, unabhängig von Kultur oder Religion.
Güterverwaltung Reinau
Durch eine kombinierte Sensorik aus Drohnen, Laserscan und Photogrammetrie wurde vor allem der Innenraum des Kirchengebäudes mit höchster Genauigkeit vermessen. Für eine einfache Digitalisierung des gesamten Ritterguts von außen, wurde der entsprechende Bereich zusätzlich mit der Drohne dokumentiert. Durch die langjährige Erfahrung und umfangreiche Expertise unserer Expertinnen und Experten konnten die Vermessungsarbeiten effektiv und innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden.
Nach der abgeschlossenen Dokumentation vor Ort wurden die Bild- und Laserscan-Daten zunächst unabhängig voneinander prozessiert. Die Photogrammetrie-Bilder aus den Nah- und Weitbereichsaufnahmen mussten dazu im ersten Schritt sowohl manuell als auch automatisch angepasst und korrigiert werden, um zum Beispiel eine einheitliche Farbangleichung zu erreichen. Diese angepassten Bilder wurden im zweiten Schritt in der Photogrammetrie-Software RealityCapture, zusammen mit den Laserscan-Daten, zu einem 3D-Modell berechnet. Aufgrund der jeweiligen Einzigartigkeit jedes Projektes und der Größe des Datenumfangs erfordert dieser zeitintensive Prozess allerdings sehr viel Erfahrung und Feineinstellung, sodass nach der Verarbeitung ein hochwertiges und äußerst detailliertes 3D-Modell des Kircheninnenraumes entstehen konnte.
Die entstandenen finalen 3D-Daten liegen in einem sehr hohen Detailgrad vor, dass eine vollständige visuelle Darstellung bestimmte Programme voraussetzt. Diese Situation legt aber eine besonders günstige Grundlage, denn sie können somit für alle möglichen Verwertungsformen aufbereitet werden. Damit die Daten also z. B. auch interaktiv im Web-Browser oder sogar in Virtual Reality nutzbar sind, wird eine zielabhängige Reduzierung des Detailgrads und Datenumfangs notwendig. Einmal entsprechend aufbereitet, können die 3D-Modelle z. B. auch über spezielle Plattformen wie Sketchfab für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Je nach Wunsch sind hier sogar noch weitere Optionen möglich. Die Bereitstellung kann beispielsweise direkt als Punktewolke oder als statisches, animiertes und oder interaktives 3D-Modell erfolgen.
Klicken Sie doch mal auf den einen der nachfolgenden „Play-Buttons“ der jeweiligen aufbereiteten interaktiven Anwendungen. Links können Sie das 3D-Modell und rechts seinen digitalen Zwilling, die Punktwolke, mit den Maustasten erkunden.
Info: Unten rechts in dem kleinen Ansichtsfenster stehen Ihnen verschiedene Optionen zur Verfügung. Sie dort beispielsweise eine Vollbildansicht auswählen oder die Texturqualität auf High Quality (HQ) umschalten.
Auch die Steuerung ist ganz einfach: Mit der gedrückten linken Maustaste kann man sich umschauen, mit der mittleren oder rechten Maustaste im Raum bewegen und mit dem Mausrad rein- und rauszoomen.
Wie etwas weiter oben bereits beschrieben, werden die Rohdaten aus den Vermessungsaufnahmen primär für die Erstellung von hochqualitativen 3D-Modellen verwendet. Wird hierbei ergänzend mit der Drohne aus der Luft dokumentiert, können im gleichen Arbeitsschritt auch 360°-Bilder und sogar -Videos aufgenommen werden. Daraus lassen sich mit geringem Aufwand interaktive Panoramen erstellen, die als Bilder eine geringe Datengröße haben und somit auf nahezu jedem Wiedergabemedium darstellbar sind. Sie können zu dem nächten Standpunkt wechseln, wenn Sie auf eines der weißen Augen klicken.
„The Interior of the Church in Lucklum – A Compendium of Early Modern European Emblematics“
Im Rahmen des Exzellenzclusters wird u. a. der Frage nachgegangen, wie die 209 lateinischen Inschriften und 156 emblematischen Gemälde aus dem frühen achtzehnten Jahrhundert den Kirchenraum als Meditations- und Gebetsraum strukturieren und ihm seine einzigartige Form verleihen.
Forscher aus mehr als 40 akademischen Disziplinen wollen innerhalb dieses Forschungsprojekts einen globalen Rahmen für das Studium aller schriftlichen Artefakte, vom Beginn der Schrift bis zur Gegenwart und aus allen Regionen, die solche Artefakte hervorgebracht haben, entwickeln. Ein Teil widmet sich dabei der vollständigen Rekonstruktion des ehemaligen Innenraums der Kirche in Lucklum, wofür eng mit Experten aus dem Bereich der Materialwissenschaften zusammengearbeitet wird und professionelle Untersuchungsmethoden (Infrarotreflektographie, Multispektralfotografie) einsetzt werden. Die hochgenaue 3D-Bestandsaufnahme und 3D-Visualisierung in der Kombination von Laserscanning und Photogrammetrie wurde durch ArcTron 3D realisiert. An der Universität Hamburg erfolgt mit den Daten eine mehrdimensionale Darstellung der dreidimensionalen (3D) Strukturen des Kircheninneren und seiner verschiedenen Schichten in Form einer immersiven Virtual-Reality-Darstellung (VR).
Das Projekt bündelt Fachwissen aus den Bereichen Theologie, Literatur- und Kunstgeschichte, Materialwissenschaft und Informationstechnologie. Dabei werden besonders relevante Konstellationen (Theologie- und Frömmigkeitsgeschichte, Geschichte der Bibelexegese, Wissensgeschichte und Geschichte der bildenden Kunst) angemessen berücksichtigt.
Der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Cluster wird in Kooperation mit der Helmut Schmidt Universität, der TU Hamburg, der Universität Lübeck und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) durchgeführt.
Weitere Informationen finden Sie hier:
Research Field B: „Inscribing Spaces” https://www.csmc.uni-hamburg.de/written-artefacts/research-fields/field-b.html
Teilprojekt RFB 05 “The Interior of the Church in Lucklum – A Compendium of Early Modern European Emblematics”: https://www.csmc.uni-hamburg.de/written-artefacts/completed-projects/rfb05.html#uhh-tabs-0_tab-2https://www.csmc.uni-hamburg.de/written-artefacts/research-fields/field-b/rfb05.html
Stöbern Sie auf unserer Referenzseite für weitere Beispiele, Referenzen und Projekte auf www.arctron.de unter Referenzen oder Videos…