Hier entstehen aktuell Informationen zu der Vermessung und 3D-Visualisierung des 2019 neuentdeckten, labyrinthischen Karsthöhlensystems „Windloch“ im Mühlenberg bei Engelskirchen.
Die geometrisch genaue und gleichzeitig fotorealistische 3D-Modellierung von Höhlenstrukturen zählt zu den schwierigsten Aufgaben in der 3D-Vermessung. Dies liegt vor allem an der ungeheuren Komplexität bei gleichzeitigem Detailreichtum, ihrer variablen Farbigkeit und einer generell erschwerten Zugänglichkeit.
Da das Windloch mit seinen einzigartigen Details nur ausgewählten Wissenschaftlern und Spezialisten zugänglich gemacht werden kann, suchen die beteiligten Forscher nach Lösungen, die Höhle und ihre Highlights durch hochwertige fotorealistische 3D-Visualisierungen dennoch einem breiten Publikum, digital und virtuell zur Verfügung stellen zu können.
Neben extrem anspruchsvollen, schlammigen und feuchten Umgebungsbedingungen ist die generelle räumliche Enge, der Materialtransport, aber auch die Vielfalt und Variabilität der zu messenden Oberflächen eine nicht nur technische, sondern auch in hohem Maße physische Herausforderung. Für die angestrebte, kombinierte Erfassung der dreidimensionalen Hohlraum-Geometrie in Kombination mit der farbigen Oberflächentextur, stellt jedoch das oftmals sehr geringe Platzangebot, das zentrale Problem dar – sowohl für die Ausleuchtung als auch die Geräte.
Dank der Unterstützung durch das ZDF – Terra X, konnten in einer initialen 2-tägigen Vermessungs-Kampagne erste exemplarische Daten der eingangsnahen Bereiche „Schatzkammer“ und „Emporenhalle“, erfasst und ausgewertet werden. Ziel dieser aktuellen 3D-Aufnahmen im Windloch war es, durch den kombinierten Einsatz von Laserscan-Sensorik, Photogrammetrie und Videogrammetrie, diese hochkomplexen Hohlräume mit ihren Textur- und Geometrie-Information in hoher Genauigkeit, fusioniert zu erfassen und als 3D-Visualisierungen verfügbar zu machen. Zu diesem Zweck haben Höhlenforscher des Arbeitskreises Kluterthöhle e.V. (AKKH) und Wissenschaftler vom Deutschen Bergbau-Museum Bochum (DBM) zusammen mit den 3D-Spezialisten der ArcTron 3D GmbH, angepasste Mess- und Auswertungskonzepte entwickelt und getestet, die eine solche 3D-Dokumentation mit vertretbarem Zeitaufwand ermöglichen sollen.Bei diesen Arbeiten wurden Laserscans und Photogrammetrien mit DSLR-Kameras und entfesselten Blitzen sowie mit einer robusten 5K-Videogrammetrie-Actioncam kombiniert. An dieser spannenden Aufgabe wird weiter gearbeitet und es bleibt noch viel zu tun!
Erste Ergebnisse können Sie mit den interaktiven 3D-Modellen auf dieser Seite kennenlernen.
Ein großer Dank gilt der Firma Setolite, die mit Ihren robusten LED-Akkuleuchten (SETO COMBAT X2) für das notwendige Licht bei der Videogrammetrie gesorgt hat. Danke für die freundliche und spontane Unterstützung!
Foto: Max Dornseif, AKKH
Foto: Max Dornseif, AKKH
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Foto: Ulrich Brämer, AKKH
Einen Höhlenplan zu erstellen, ist gar nicht so einfach. Ein Stadtplan ist ja fast ein durchgepaustes Luftbild, aber ein Höhlenplan ist dreidimensional. Da gehen Gänge übereinander her und umeinander rum. Wer schon mal den Plan einer großen U-Bahn Station gesehen hat, weiß, worum es geht. Und Untertageanlage, wie U-Bahn Stationen und Bergwerke sind wenigstens von und für Menschen gebaut. In Höhlen war die Kraft des Wassers und der Chemie am Werk um bizarre Gebilde zu schaffen und die sind nicht unbedingt „bequem“ zu begehen…
Höhlen werden so vermessen, wie im Bergbau vor hundert Jahren gearbeitet wurde: vom Eingangspunkt wird eine gedachte Schnur (heute Laser) bis in jede Ecke der Höhle gelegt. Von jedem Knick der gedachten Schnur zum nächsten sprechen wir von einem “Messzug”. Für jeden Messzug wird die Länge, die Neigung und die Kompassrichtung bestimmt. Anhand dieser Daten kann die gesamte Höhle im Plan mit erstaunlicher Genauigkeit rekonstruiert werden.
Im Windloch wurde konsequent “mit dem Maßband ins Neuland” gegangen: neue Höhlenteile wurden nur soweit begangen, wie man im jeweiligen Einsatz messen konnte. Erst hinter dem Messtrupp kamen die Fotografen, Geologen und anderen Wissenschaftler.
Der aktuelle Plan des Windlochs besteht aus knapp 4.000 Messzügen. Dazu kommen noch einmal etwa 15.000 Hilfsmessungen, welche die Genauigkeit des Plans verbessern. Hierfür waren etwa 100 Messteam-Einsätze nötig.
Üblicherweise bestand ein solches Messteam im Windloch aus 3 Personen bei einer Einsatzdauerte von etwa acht Stunden. Meist waren drei Teams gleichzeitig in der Höhle unterwegs, so dass wir auf gut 2000 Arbeitsstunden für diese erste Vermessung kommen. Die Nachbearbeitung der Messdaten und die Erstellung eines vorläufigen Plans als Grundlage für die weitere Forschung, sowie die Erstellung eines erstens 3D Modells hat noch einmal deutlich über 500 Stunden in Anspruch genommen.
Als nächster Schritt der Vermessungstechnischen Dokumentation erfolgt die Reinzeichung, mit dem sogenannten “Höhleninventar”: der Bodenbeschaffenheit, den Tropfsteinen, Knochenfunden, Mineralablagerungen usw. Zusätzlich werden noch etwa 1000 Gangprofile (Querschnitte) angefertigt, die die Gangformen verdeutlichen.
Dirk Steffens und sein ZDF Terra X Fernsehteam nimmt die Zuschauer mit auf eine Expedition in die 2019 von Stefan Voigt und dem Arbeitskreis Kluterthöhle entdeckte 100 Millionen Jahre alte Höhle “Windloch.”
Mehr als 8.000 Meter lang ist diese Sensationsentdeckung – und darin bildeten sich in Europa die größten Kristallformationen ihrer Art! Nur Forscher und Wissenschaftler haben Zugang in diese noch unberührte Welt. Das unterirdische Labyrinth ist feucht, die Passagen zwischen den Hallen extrem eng, niedrig oder steil abfallend – eine wahre körperliche Herausforderung für alle Beteiligten. Das empfindliche Equipment gilt es vor dem Schlamm und den scharfen Felskanten zu schützen. Um bis zu den skurrilen und feingliedrigen Kristallgebilden, den sogenannten „Eisenblüten“, vorzudringen benötigt das Fernsehteam viele Stunden, die sich jedoch lohnen, wie der TerraX Bericht zeigt.
Foto: ZDF / Oliver Roetz
Im Auftrag des ZDF erfasst das ArcTron 3D Ingenieurteam mittels 3D-Laserscanvermessung den Eingangsbereich der Windlochhöhle. Das Vermessungs- und Multimediateam geleitet von Geschäftsführer Martin Schaich verknüpft die 3D-Messdaten mit bereits vorhandenen 3D-Plänen und 3D-Punkten zu einem digitalen 3D-Modell. Dieses bildet die Grundlage für eine animierte Darstellung, die dem Zuschauer eine verständliche 3D-Visualisierung der Windloch-Höhle bietet.
In ein unberührtes Höhlensystem sicher ein- und wieder auszusteigen und sich dort entsprechend vorsichtig zu bewegen benötigt professionelle Unterstützung.
„Ohne Max Dornseif und Gero Steffens vom Deutsche Bergbau-Museum Bochum wären wir der Höhle vermutlich nicht mehr entkommen.“ sagt Martin Schaich mit einem Schmunzeln. Etwas ernster erzählt er weiter, wie gefährlich und körperlich herausfordernd so ein Höhlengang ist. „Die Höhlenforscher geleiten jeden Schritt und jede Seillänge und helfen tatkräftig bei der Arbeit vor Ort mit.
Die erhobenen 3D-Daten werden nun im Hause ArcTron verrechnet und zu einem animierten 3D-Modell zusammengeführt.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Auf dieser Webseite haben Sie die Möglichkeit die Höhle als eine interaktive dreidimensionale Anwendung zu erleben. Klicken Sie auf einer der drei folgenden Modelle auf das Abspielen Symbol, um die Anwendung zu starten. Nun können Sie mit Ihrer Maus das Modell beliebig aus allen Blickwinkeln betrachten. Klicken Sie in der Anwendung auf die Zahlen, um weitere Informationen über die jeweilige Station zu erhalten.
3D-Modell: ArcTron 3D GmbH
Hier können Sie das komplette Höhlensystem betrachten. Die rote Linie zeigt den Weg, den man durch die Höhle gehen kann. Da die Wege der Höhle auch übereinander liegen können, ist ein 3D Plan verständlicher dargestellt als eine 2D Karte. Anhand der 10 Meter großen schwarz-weiß Kacheln wird deutlich, welches Ausmaß das Höhlensystem Windloch wirklich hat.
3D-Modell: ArcTron 3D GmbH
Dieses Modell zeigt einen Teilabschnitt vom Höhlensystem. Zu sehen ist die Emporenhalle sowie das sogenannte Schatzkästchen. Hier sehen Sie den steilen Eingang zur Höhle und somit den Beginn des Abenteuers.
3D-Modell: ArcTron 3D GmbH
Tropfstein mal anders. Diese „Excentriques“ (Eisenblüte) genannten Gebilde bestehen aus Kalzit (Aragonit) und finden sich immer wieder mal in Höhlen. In dieser baumartigen „Wuchsform“ und einer Höhe von 81 cm, sind sie jedoch einmalig auf der Welt.
In der Fachliteratur werden diese Gebilde als Eisenblüten, „Excentriques“ oder „Helicite“ bezeichnet, da sie bei ihrer Entstehung die Wachstumsrichtung oft und in einer scheinbar wahllosen Weise wechseln, als ob es keine Schwerkraft gäbe. Der ältere Begriff aus der Sprache der Bergleute – „Eisenblüte“ – geht vermutlich auf den Eindruck einer „Blüte“ zurück, die in offenen Gangspalten von Eisenvererzungen im Stollen gewachsen waren.
Konkret handelt es sich hierbei um Kalk, spezifisch Aragonit, der im Wasser gelöst in die Höhle transportiert wird und dort wieder ausfällt (sich wieder vom Wasser trennt). Während die allgemein bekannten Tropfsteine – Stalagmiten und Stalaktiten – durch Tropfwasser entstehen, wachsen die Excentriques dadurch, dass das kalkhaltige Wasser in dem sehr dünnen (< 1 mm) Zentralkanal durch Kapillarwirkung an die Spitze des Excentriques „gesogen“ wird und dort kristallisiert.
Bei hoher Vergrößerung betrachtet, bestehen die Excentriques aus zahllosen kleinen Karbonatkristallen, die alle in Richtung ihrer Längsachse ausgerichtet sind.
Die Untersuchungen zum Alter dieser riesigen Kristallformationen befinden sich noch im vollen Gange. Grundsätzlich sind aber zwei Wachstumsphasen erkennbar, eine ältere, braune, inaktive Phase und eine weiße, aktive Phase.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Elektronenmikroskop: Ruhr Universität Bochum
Foto: Ishana Kumbruch, AKKH
Auf der Suche nach Höhlen hat der Arbeitskreis Kluterthöhle (AKKH) bereits 1988 erste Grabungen am Mühlenberg bei Engelskirchen/ Ründeroth durchgeführt. Doch erst über 30 Jahre später soll, nach dem Erweitern einer nur handbreiten Spalte, die Ausdauer endlich belohnt werden – mit über 8 Kilometern Länge.
Foto: Ulrich Brämer, AKKH
„Die Leiter ist zu kurz“. Bei der Entdeckung am 23. März 2019, war die mitgebrachte 10 Meter lange Stahlseilleiter immer noch zu kurz. Mit spezieller Einseiltechnik wurde der 15 Meter tiefe Eingangsschacht überwunden und dann kamen wir aus dem Staunen nicht mehr raus…
Foto: Ulrich Brämer, AKKH
Weiche, gerundete Wandformen verraten dem Höhlenforscher, dass sich die Höhle unter dem Grundwasserspiegel gebildet hat. Durch die im Wasser befindliche Kohlensäure wird der Kalkstein langsam aufgelöst.
Foto: Gero Steffens,Deutsches Bergbau-Museum
An hervorstehenden Verbruchblöcken und Wandpartien bilden sich durch ständigen Luftzug manchmal sogenannte Knöpfchensinter. Sie weisen dem Höhlenforscher zumeist den Weg in das Innere des Höhlensystems.
Foto: Gero Steffens, AKKH
Scharfkantige Wandformen weisen auf eine nachträgliche Überprägung der Wandflächen durch aggressives Sicker-/ Tropfwasser hin. Diese Formen entstehen nach der eigentlichen Höhlenbildung.
Plan: Max Dornseif, AKKH
Risse im Gestein, sogenannte Klüfte, finden sich entlang jeden Höhlengangs. Der Kalkstein ist eigentlich wasserundurchlässig. Das Wasser und damit auch die Höhlenentstehung kann nur entlang dieser Strukturen angreifen. Daher zeichnen Höhlen immer auch die tektonischen Elemente einer Landschaft nach.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Das Windloch ist eine ausgesprochen trockene Höhle, weil über ihr eine wasserundurchlässige Sandsteinschicht liegt. Aber es gibt Ausnahmen.
Foto: Ulrich Brämer, AKKH
Schäden an Tropfsteinformationen sind auch ohne menschlichen Vandalismus in unseren Höhlen zu beobachten. Sie stammen aus der letzten Eiszeit als Permafrost herrschte und die Hohlräume z. T. massiv vereist waren. Sinterformationen sind wertvolle Klimaarchive.
Foto: Ulrich Brämer, AKKH
Gipskristalle und speziell Gipswatte sind in Höhlen unserer Breitengrade, eine absolute Seltenheit. Sie können nur bei sehr geringer Luftfeuchtigkeit entstehen, weswegen derlei Kristalle eher in Höhlen in Ländern wie Syrien und Oman anzutreffen sind.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Rund 60 Metern Höhenunterschied müssen im Windloch überwunden werden. Auch wenn Höhlen in den Alpen bis zu 1600 Meter Höhenunterschied haben, für das Bergische Land sind schon diese 60 Meter einmalig.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Der erste tunnelartige Höhlengang im Windloch: 50 m lang, 6 m breit und 4 m hoch – mit fantastischen Versteinerungen.
Foto: Carsten Ebenau, AKKH
An dieser Stelle fanden wir die mumifizierten Überreste eines Frosches. Dies ist bemerkenswert, da organisches Material normalerweise in kurzer Zeit zersetzt wird. Sehr wahrscheinlich ist der Frosch dem unterirdischen Lauf des Walbaches gefolgt, den wir immer noch nicht gefunden haben.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
In den hinteren Teilen verändert die Höhle plötzlich ihren Charakter: das labyrinthartige Gangnetzt weicht großen Hallen und Tunnelgängen, die man im Bergischen Land nie für möglich gehalten hätte.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Ein besonderes geologisches Schauspiel: hier geht der Fels von einer senkrechten Lagerung (links) in eine beinahe Waagerechte (rechts) über – ohne dabei zu zerbrechen.
Foto: Gero Steffens, Deutsches Bergbau-Museum
Tropfstein mal anders. Diese „Excentriques“ (Eisenblüte) genannten Gebilde bestehen aus Kalzit (Aragonit) und finden sich immer wieder mal in Höhlen. In dieser baumartigen „Wuchsform“ und einer Höhe von 81 cm, sind sie jedoch einmalig auf der Welt.
ZDF
Deutsches Bergbau-Museum Bochum und Partner siehe Videobeschreibung: https://www.youtube.com/watch?v=d_htu889DZo
Scarlito GmbH, Oberberg aktuell, Stefan Voigt