Ausgrabungen in Erbes-Büdesheim

Die Merowinger-Gräber

Ausgrabungen in

Erbes-Büdesheim

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Die Merowinger-Gräber

Archäologie

Die Ausgrabung

Ein ungeschriebenes Gesetz der Archäologie besagt, dass gegen Ende einer Ausgrabungskampagne unerwartet die spannendsten Funde auftauchen. So war es auch hier in Erbes-Büdesheim, als im September 2021 der Bagger beim Ausschachten eines tiefen Grabens für die Kanalisation einen menschlichen Schädel freilegte.

Eine im Vorfeld der archäologischen Ausgrabungen erstellte geomagnetische Kartierung hatte bereits angezeigt, wo mit Funden zu rechnen sein würde und so konnten vielfältige Siedlungsspuren aus den verschiedensten menschlichen Ur- und Frühgeschichts-Epochen nachgewiesen werden. 

Dabei  handelte es sich zumeist um Gruben und Gräben aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit), aus der Bronze- und Eisenzeit, sowie um römische Hinterlassenschaften wie Mauerfundamente, holzverschalte Keller und eine Wasserleitung.

Allerdings sind fast nie alle archäologischen Befunde in einer Geomagnetik zu erkennen, so dass es durchaus immer  zu archäologischen Überraschungen kommen kann. Gräber gehören immer wieder zu solchen Befunden.

Während das zum Schädel gehörende Skelett fachgerecht freigelegt wurde, bestand zunächst große Spannung, welcher Epoche diese Bestattung zuzurechnen sein würde. Dabei wurden die Freilegungs-Arbeiten durch aufsteigendes Grundwasser erheblich erschwert. 

Schnell wurde durch die Grabbeigaben klar, dass es sich um eine ungestörte Bestattung aus der Zeit der Merowinger (6.-7. Jh. n. Chr.) handelte. Neben zwei Keramikgefäßen wurden eine außergewöhnliche Bronzekanne, Glasperlen sowie zwei Paare mit Almandinen verzierter Fibeln gefunden.

Ein nicht geplündertes Grab aus fränkischer Zeit ist für sich schon eine Seltenheit! Damit hatte niemand gerechnet, zumal es auf der Grabungsfläche zuvor keine Hinweise auf Befunde aus dieser Zeit gab.

Schnell wurde klar, dass noch weitere Bestattungen im Verlauf des Kanalgrabens zu erwarten waren und dass weitere Arbeiten mit dem Bagger nur mit extremer Vorsicht voran gehen konnten.

Durch die behutsame Vorgehensweise konnten sechs weitere Grabgruben entdeckt und  baubegleitend erforscht und dokumentiert werden. Bei allen Gräbern war mit dem aufsteigenden Grundwasser zu “kämpfen”, aber die Mühen sollten sich vielfach lohnen.

Insgesamt konnten auf diese Weise vier ungestörte Frauengräber sowie zwei ungestörte Männerbestattungen dokumentiert werden. Ein siebtes Grab hingegen wurde schon in längst vergangener Zeit geplündert, sodass anhand der wenigen Knochenreste und fehlender Grabbeigaben bisher keine finale Aussage zum Geschlecht der bestatteten Person getroffen werden konnte.

Dennoch hielt dieses siebte Grab eine große Überraschung bereit. Der Boden des Holzsarges hatte die Jahrhunderte durch seine Lage im Grundwasser überstanden. Die Holzbohlen konnten geborgen werden und liegen nun für dendrochronologische Untersuchungen, also für eine genaue Baumringdatierung, bereit.

Westlich, östlich und südlich der Grabfunde konnten innerhalb der Kanalgräben keine weiteren Gräber gefunden werden. Es besteht jedoch im Norden die Möglichkeit, in den Baugrundstücken innerhalb des „Merowinger-Ringes“ weitere Gräber zu finden. Da dort jedoch keine tieferen Bodeneingriffe geplant sind, bleiben eventuelle Bestattungen für die Nachwelt erhalten.

Innerhalb des Kanalgrabens der nördlichen Straße des Ringes fanden sich keine weiteren Bestattungen, sodass es sich bei dem Befund wohl nicht um ein größeres fränkisches Gräberfeld handelt, sondern um einen eher kleineren Friedhof. Dies könnte auf die Präsenz eines kleinen fränkischen Weilers hinweisen.

Merowingerzeit

Die Gräber und Grabbeigaben lassen sich der Merowingerzeit zuordnen. Die Merowinger-Dynastie war eine der bedeutendsten  Herrscherfamilien im Frankenreich vom 5. bis zum 8. Jahrhundert. Ihr Aufstieg begann mit Clovis I., der die fränkischen Stämme vereinte und die Römer in Gallien besiegte. Unter seinen Nachkommen – wie Chlodwig I., Chlothar I. und Dagobert I. – dehnte sich ihr Reich über Teile des heutigen Frankreichs, Deutschlands und der Schweiz aus.

Die Merowinger kombinierten germanische Traditionen, wie die Verwendung von Runen als Schriftsystem oder die Anwendung germanischer Rechtssätze mit römischer Verwaltung. Diese brachte unter anderem städtische Entwicklungen und den Einsatz von Latein als Verwaltungssprache mit sich.

Ihr Reich war in viele kleinere Teilreiche untergliedert, die von verschiedenen Anhängern der Dynastie regiert wurden, ähnlich den römischen Provinzen. Trotz dieser Verschmelzung von Kulturen und Verwaltungssystemen war das merowingische Reich von inneren Konflikten und Aufständen gezeichnet, da rivalisierende Mitglieder der Dynastie um die Macht und lokale Adlige um Autonomie kämpften.

Die Krönung von Pippin dem Jüngeren zum König der Franken im Jahr 751 beendete letztendlich die Herrschaft der Merowinger und markierte gleichzeitig den Aufstieg der Karolinger-Dynastie. Obwohl die Merowinger oft im Schatten der Karolinger stehen, war ihre Zeit von großer Bedeutung für die Entwicklung des mittelalterlichen Europa.

Die hier gezeigte, rekonstruierte Begräbnis-Szene hat der leitende Ausgrabungstechniker Frank Schulz angefertigt. Sie vermittelt ein gutes Bild davon, wie eine fränkische Bestattung im frühen Mittelalter ausgesehen haben könnte.

Ein typisches merowingisches Begräbnis war oft von einer Reihe von Riten und Praktiken geprägt, die sowohl heidnische als auch christliche Elemente aufwiesen. Die Bestattung selbst fand normalerweise auf einem Gräberfeld statt, das oft außerhalb der Siedlung lag. Die Auswahl des Bestattungsortes und die Art der Bestattung und der Beigaben hingen sehr vom sozialen Status des bzw. der Verstorbenen ab.

Die Verstorbenen wurden häufig in Holzsärgen beigesetzt, die entweder in Gruben oder in steinernen Gräbern platziert wurden. Grabbeigaben spielten eine wichtige Rolle und umfassten Gegenstände wie Waffen, Schmuck, Werkzeuge und Keramik. Diese Beigaben sollten den Verstorbenen für ihr Leben nach dem Tod ausrüsten und möglicherweise auch ihren Status und ihre Position in der Gesellschaft reflektieren.

Die Bestattungszeremonie selbst wird verschiedene Rituale beinhaltet haben, darunter Gebete, Gesänge und Opfergaben. Heidnische Traditionen wie  Grabbeigaben und das Verbrennen von Opfergaben für die Reise ins Jenseits dürften mit christlichen Elementen wie Gebeten und Segnungen kombiniert gewesen sein. Mit der zunehmenden Christianisierung des Reiches änderten sich im Laufe der Zeit die Bestattungspraktiken. Christliche Symbole und Rituale wurden allmählich integriert, während einige heidnische Bräuche nach und nach verschwanden oder sich anpassten, um mit den neuen religiösen Vorstellungen in Einklang zu stehen.

 

Gräber & Funde

Bei den hier vorgestellten Funden ist zu beachten, dass sie allesamt im noch unrestaurierten Zustand dokumentiert wurden. Es ist geplant, zu einem späteren Zeitpunkt nach erfolgter Restaurierung, einzelne Inhalte und 3D-Modelle noch zu aktualisieren.

Insgesamt wurden vier ungestörte Frauengräber sowie zwei ungestörte Männerbestattungen mit reichen Grabbeigaben gefunden. Ein siebtes Grab hingegen wurde schon in längst vergangener Zeit geplündert, sodass anhand der wenigen Knochenreste und fehlender Grabbeigaben momentan keine sichere Aussage zum Geschlecht der bestatteten Person gemacht werden kann.

Dennoch hielt dieses Grab eine große Überraschung bereit. Der Boden des Holzsarges hatte die Jahrhunderte durch seine Lage im Grundwasser überstanden. Die Holzbohlen konnten geborgen werden und liegen nun für dendrochronologische Untersuchungen bereit.

Frauengrab 1

Das erste Frauengrab wurde beim Abtragen durch den Bagger entdeckt und schon vor der fachlichen Bergung bis kurz über das Bestattungsniveau abgebaggert. Dabei wurde leider die obere Hälfte des Schädels durch den Bagger zerstört.

Das Skelett lag bis zur Entdeckung im Grundwasser. Daher sind keine klaren, sichtbaren Spuren von einem Sarg oder einer Kammer zu sehen.

Aufgrund der Lage der Grabbeigaben ist die Verwendung eines Sarges jedoch sehr wahrscheinlich.

Das Grab weist mehrere hochwertige Grabbeigaben vor. Dabei sind die außergewöhnliche Bronzekanne sowie gut erhaltene Textilreste auf Fibeln besonders nennenswert.

Frauengrab 2

Das zweite Frauengrab liegt nördlich und parallel zum ersten Grab. Es befindet sich jedoch über dem Grundwasserspiegel, was bessere Bedingungen für die Bergung ermöglichte. Eine dunkle Erdverfärbung deutete noch auf einen schmalen Sarg hin.

Die Bestattung weist Ähnlichkeiten zum ersten Grab auf, wie beispielsweise die Keramik an den Füßen und die Position der Fibeln, was auf eine mögliche Verwandtschaft hinweisen könnte.

In einer Schale auf den Oberschenkeln wurden kleine Reste von Eierschalen gefunden.

Kurioserweise war nur der Zeigefinger der rechten Hand deutlich ausgestreckt.

Frauengrab 3

Das dritte Frauengrab war reich ausgestattet, aber seine Lage im Grundwasser machte die Freilegung und Dokumentation schwierig.

Im Befund selbst gab es keine Reste eines Sargs oder einer Grabkammer. Aber aufgrund der Anordnung der Fundobjekte, ist eine hölzerne Grabkammer wahrscheinlich.

Die Grabbeigaben bestanden aus einem Gürtelgehänge, bestehend aus einem Kamm, einem Messer, einer verzierten Holzscheibe und einer Muschel. Außerdem lagen ein Sturzbecher, eine Perlenkette sowie Tierknochen bei, die wahrscheinlich aus einer Fleischbeigabe stammten.

Auffällig war das Fehlen von Fibeln und Keramik in diesem Grab.

Frauengrab 4

Im vierten Frauengrab wurde vermutlich ein Mädchen beerdigt.

Eine sich nach unten verjüngende, dunkle Verfärbung deutet möglicherweise auf einen Baumsarg hin, was auch durch die gestauchten Schultern des Skeletts unterstützt wird.

Zu den Grabbeigaben gehörten eine Perlenkette, ein Spinnwirtel und Keramik.

Auch dieses Grab befand sich im Grundwasser, was die Bedingungen für die Ausgrabung ebenfalls beeinträchtigte.

Männergrab 1

Sichtbare Erdverfärbungen und klare Kanten deuten im ersten Männergrab auf Reste einer Grabkammer hin. Der Leichnam lag in der nördlichen Hälfte der Kammer, während der südliche Bereich und der Raum unterhalb der Füße offen blieben.

Glücklicherweise befand sich das Grab oberhalb des Grundwasserspiegels, was den Zustand und die Bergung begünstigte.

Die Grabbeigaben waren auf ein Kurzschwert und ein kleines Werkzeugset beschränkt. Eine einfache bronzene Gürtelschnalle mit Nieten war erhalten geblieben.

Männergrab 2

Das zweite Männergrab, vermutlich von einem Krieger, liegt ebenfalls oberhalb des Grundwassers und weist eine große Grabkammer auf. Die Bestattung fand in der nördlichen Hälfte der Kammer statt. Fragile Reste eines kollabierten Sargdeckels wurden auf dem Becken und den Füßen gefunden, wobei die Holzmaserung quer zur Bestattung verlief.

Die Bewaffnung des Kriegers umfasste ein Kurzschwert, ein Wurfbeil (sog. Franziska) und eine Lanze. Möglicherweise befand sich ein runder Holzschild mit einem Durchmesser von 50cm rechts vom Kopf des Kriegers, jedoch konnte dies nicht eindeutig belegt werden.

Westlich davon wurde ein großes Gefäß entdeckt, in dem sich ein kleiner Becher und ein Kamm befanden. Es wird vermutet, dass der Becher und der Kamm ursprünglich auf einem Deckel platziert waren und nach dessen Zersetzung in das Gefäß fielen.

Am Gürtel des Kriegers wurde eine Ledertasche mit einer kleinen Schnalle entdeckt, die Scheren, Messer, Feuerstein, Feuereisen und eine Pinzette enthielt. Des Weiteren wurden eine Gürtelschnalle und ein Beschlag gefunden.

3D-Fundobjekte

Hier sehen Sie eine Übersicht über alle digitalisierten Fundobjekte in 3D. Wenn Sie auf das Bild oben klicken, kommen Sie zur Objekt-Sammlung auf der 3D-Plattform Sketchfab. Dort können Sie jedes Fundobjekt einzeln interaktiv drehen, zoomen und genauer anschauen.

Augmented Reality

Mit „Augmented Reality“ (AR), also der „Erweiterten Realität“, haben Sie jetzt die Möglichkeit, mit Ihrem Smartphone oder Tablet zwei ausgewählte 3D-Modelle in der realen Umgebung, z.B. auf dem Fußboden oder Ihrem Küchentisch aus nächster Nähe zu betrachten. 

Scannen Sie die QR-Codes und schauen Sie sich diese virtuellen Inhalte in Augmented Reality an. Richten Sie nun in der neuen AR-Ansicht ihr Smartphone auf eine ebene Fläche, wie einen Tisch oder den Fußboden, und folgen Sie den Anweisungen auf Ihrem Bildschirm. Nachdem das 3D-Modell erscheint, können Sie es von allen Seiten betrachten und auch verschieben, drehen oder skalieren.

Viel Spass dabei!

Mit „Augmented Reality“ (AR), also der „Erweiterten Realität“, haben Sie jetzt die Möglichkeit, mit Ihrem Smartphone oder Tablet zwei ausgewählte 3D-Modelle in der realen Umgebung, z.B. auf dem Fußboden oder Ihrem Küchentisch aus nächster Nähe zu betrachten. 

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Viel Spass dabei!

Große Bügelfibel

Frauengrab 1