Walter Irlinger | Martin Schaich
Keltische Viereckschanzen sind eine typische Siedlungsform der Spätlaténezeit, also vor allem des 2. und 1. Jh. v. Chr. Hauptsächlich treten sie in Süddeutschland, in Bayern und in Baden-Württemberg auf.
Charakteristisch ist die Kombination aus Wall und Graben als äußerer Begrenzung. Die Ecken des Erdwalls sind spitz zulaufend und bei den obertägig erhaltenen Schanzen häufig überhöht. Auf den Wällen werden Palisaden oder Hecken als Annäherungshindernis rekonstruiert. Vor dem Wall verläuft um die Anlagen ein mehr oder weniger tiefer Graben. Der Graben hat auch im Bereich des Tores keine Unterbrechung. Eine über den Graben führende Brücke war somit als Zugang nötig. Die Eingänge lagen meist im Osten, manchmal im Süden und Westen, allerdings nie im Norden. Bei wenigen Viereckschanzen (wie der unten aufgeführten in Pocking-Hartkirchen) konnte nachgewiesen werden, dass der Graben zumindest zeitweise wassergefüllt war, was für die Oberhachinger Schanzen nicht gilt.
Meist ist der Grundriss annähernd quadratisch bis rechteckig, mit Seitenlängen von ca. 70 bis 110 m. Aber auch Abweichungen, wie trapezoide und fünfeckige Grundrisse oder die sogenannten Mehrfachschanzen sind bekannt. Bei Letzteren wurde der Grundriss durch weitere Wälle und Gräben erweitert. So auch bei den beiden größten bekannten bayerischen Mehrfachschanzen bei Deisenhofen mit Gesamtflächen von 23 und 29 Hektar.
Im Gemeindegebiet von Oberhaching sind insgesamt sechs Anlagen bekannt, im benachbarten Holzhausen kommen zwei weitere hinzu. In unserem Zusammenhang werden hier besonders die Mehrfachschanzen “Im Lanzenhaarer Feld” und “Im Loh” sowie die rhombische Schanze “Im Laufzorner Holz” genauer vorgestellt.
Bei der ca. 23 Hektar großen, Mehrfachschanze in Deisenhofen “Im Lanzenhaarer Feld” sind mehrere Wälle und Gräben mit einem zentralen Bereich und einem großen Außenbereich miteinander kombiniert.
Im Luftbild des nebenstehenden, interaktiven 3D-Modells ist parallel zum Feldweg eine breite Linie im Getreide zu erkennen, die den ehemaligen Graben rund um die Anlage markiert. Im Luftbild weisen aber Unterbrechungen des Grabens auf Erdbrücken als ursprüngliche Zugänge hin. Das ist eine Besonderheit, da in der Regel die Schanzen über eine Brücke über den Graben und den Torbau betreten wurden. Der Graben des Kernbereichs ist heute an zwei Seiten vollständig verfüllt und deshalb nicht mehr im Gelände zu erkennen.
Die Viereckschanze wurde in flachem Gelände errichtet. Ihr Grundriss besteht aus zwei Teilen, die sich ergänzen. Den Kernbereich bildet ein Rechteck mit etwa 140 x 125 m langen Seiten. Wall und Graben sind im Nordwesten und Südosten noch vollständig erhalten. Sie erreichen eine Höhe von etwa 2 m, bzw. bis zur Sohle des davorliegenden Grabens von ca. 3 m. Die beiden anderen Seiten sind dagegen vollständig eingeebnet.
Am zentralen Bereich setzt ein Außenbezirk mit etwa 470 m langen Seiten an. Im angrenzenden Wald ist dieser Teil mit Wall und Graben noch besonders gut im Gelände zu sehen.
Interaktives 3D-Modell der Schanze „Im Lanzenhaarer Feld“ (ArcTron 3D | 2024).
Sie können das 3D-Modell interaktiv mit der Maus bewegen, zoomen und die Animation stoppen.
Die 3D-Daten beruhen auf luftgestützten Geoinformationsdaten (LDBV).
Die Umzeichnung der geophysikalischen Untersuchungen beruht auf Messungen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege von H. Becker (BLfD).
„Ortstermin“ mit dem Landesarchäologen Dr. Walter Irlinger in der Viereckschanze „Im Lanzenhaarer Feld“ (25.04.2024).
„Ortstermin“ mit dem Landesarchäologen Dr. Walter Irlinger in der Viereckschanze „Im Loh“ (25.04.2024).
Die Viereckschanze im Laufzorner Holz befindet sich in sehr flachem Gelände. Die spitzwinklige, rhombische Form der Schanze und ihre Drehung um 45 Grad gegen die Nordsüdrichtung sind ungewöhnlich.
Die Wälle bilden den markantesten und auffälligsten Teil der Viereckschanze. Im Gelände sind sie gut zu erkennen und weisen eine Höhe von außen bis 2,8 m und von innen bis1,5 m auf. Die Seiten sind 106, 107, 75 und 82 m lang.
Durch eine geophysikalische Untersuchung konnten mehrere Gebäude der ursprünglichen Bebauung festgestellt werden. Auch ohne Ausgrabung lassen sich so erste Erkenntnisse über die Innenbebauung gewinnen. Es handelt sich um hölzerne Pfostenbauten unterschiedlicher Größe.
Etwa 100 m südlich der Schanze verlief die Römerstraße von Augsburg nach Salzburg. Im “Airborne Laserscan”, also einer flugzeuggestützten Laservermessung aus der die Vegetation (Wald) herausgerechnet werden kann, sind der gerade Straßenverlauf und die beiderseits vorhandenen Materialentnahmegruben gut zu erkennen.
Die keltische Schanze war allerdings zu römischer Zeit bereits “Geschichte”.
Interaktives 3D-Modell der Schanze „Im Laufzorner Holz“ (ArcTron 3D | 2024).
Sie können das 3D-Modell interaktiv mit der Maus bewegen, zoomen und die Animation stoppen.
Die 3D-Daten beruhen auf luftgestützten Geoinformationsdaten (LDBV).
Die Umzeichnung der geophysikalischen Untersuchungen beruht auf Messungen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege von K. Berghausen und J. Faßbinder (BLfD).
„Ortstermin“ mit dem Landesarchäologen Dr. Walter Irlinger in der Viereckschanze „Im Laufzorner Holz“ (25.04.2024).
POCKING-HARTKIRCHEN, LANDKREIS PASSAU
Eine hypothetische Rekonstruktion der Innenbebauung der Viereckschanzen in Deisenhofen ist angesichts fehlender, weiterführender Ausgrabungen nicht sinnvoll.
Allerdings kam es seit den 1980er Jahren in Süddeutschland zu mehreren großflächigen Ausgrabungen, wodurch die Bebauung im Innenraum vergleichend dargestellt und über das Fundgut auch Hinweise zur ländlichen Siedlungsfunktion dieser Anlagen gewonnen wurden.
Als Grundschema liegt bei den meisten Schanzen ein großer, zentraler Baukörper gegenüber der Torseite. Weitere Holzbauten, sogenannte Umgangsbauten, einfache Pfostenbauten und Speicher verteilen sich an den Seiten und liegen bevorzugt in den Ecken. Brunnenanlagen dienten der Wasserversorgung. Viereckschanzen hatten also als von Wall und Graben geschützte zumeist ländliche Siedlungen eine wichtige Funktion.
Als Beispiel für eine wissenschaftlich rekonstruierte Viereckschanze mit Innenbebauung, wird an dieser Stelle der herausragende Ausgrabungsbefund aus Pocking-Hartkirchen gezeigt. Die Anlage im Landkreis Passau konnte 1996 von der Ausgrabungsfirma ArcTron komplett ausgegraben und untersucht werden.
Die Ergebnisse zu der im Befund bis auf einige Reparaturen im wesentlichen einphasigen Schanze konnten die Archäologie-Spezialisten der ArcTron 3D GmbH im Jahre 2006 exklusiv für die Ausstellung “Drehscheibe Pocking” in eine, den Befund pfostengenau berücksichtigende 3D-Rekonstruktion überführen.
Der hier unverändert gezeigte, originale Film von 2006 stellt den Grabungsbefund und exemplarisch den Aufbau eines keltischen Hauses wie auch die rekonstruierte Gesamtanlage dar. Die Pockinger Viereckschanze kann nun auch im nebenstehenden, vereinfachten 3D-Modell interaktiv erkundet werden.
Interaktives 3D-Modell des Ausgrabungsbefundes und der Rekonstruktion der Viereckschanze von Pocking-Hartkirchen, Lkr. Passau (ArcTron 3D | 2024).
Sie können das 3D-Modell interaktiv mit der Maus bewegen, zoomen und die Animation stoppen.
Die Visualisierung beruht auf den Grabungsbefunden der ArcTron von 1996 und der Rekonstruktion der Anlage von 2006.
Die Viereckschanze von Pocking-Hartkirchen. Filmproduktion für die Ausstellung “Drehscheibe Pocking”. Auftraggeber: Stadt Pocking. Realisierung: ArcTron 3D GmbH (2006).